Stellenausschreibungen

Für das Bischof Stecher Haus in
Steinach am Brenner suchen wir
eine*n Begleiter*in im Wohnbereich
für 25 Stunden

Für die Arche St. Jodok 
suchen wir
eine*n Begleiter*in im Wohnbereich
in Vollzeit oder Teilzeit

Sexualpädagogische Konzept

Sex Konz Bild1

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

„Das gehört mir!“

Körperlichkeit und Intimität

Pflege

Selbstbestimmung - Fremdbestimmung

Nähe und Distanz

Wohn- und Lebensqualität

Begleiter*innen

Partnerschaft - Begleiter*innen

Sexualpädagogische Begleitung

Aufklärung

Prävention

Sexuelles ER-Leben

Masturbation

Paare und Beziehungen

Kinderwunsch

Verhütung

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt

Sexualbegleitung – Sexualassistenz

Sexualität und Gewalt

Sexuelle Gewalt

Pornographie

Sprache

Verbal und nonverbal

Gemeinsame Sprache

Schlusswort

Kriseninterventionsplan

Verhaltenskodex

 

 

Einleitung

„Es geht um Begegnung“

Sexualität ist so vielfältig wie die Menschen. Sie passt in keine Norm. Sie ist eine Lebensenergie, facettenreich, individuell und oft genug überraschend. Im Laufe der Zeit hat sich die Einstellung zu Sexualität und Behinderung verändert. Die Arche ist eine Einrichtung, in der Menschen mit und ohne Behinderung in Gemeinschaft leben. Die Arche ist aus der römisch-katholischen Tradition entstanden und versteht sich als eine ökumenisch und interreligiös offene Gemeinschaft. Freundschaften und Beziehungen verbinden die Menschen miteinander, Wohnen, Arbeit und Freizeitgestaltungen bieten Begegnungsmöglichkeiten. Die Erarbeitung eines sexualpädagogischen Konzepts für die Arche war uns schon lange ein Anliegen. Mit großartiger Unterstützung von Mag. Michael Peintner haben Begleiter*innen der Arche sich dem Thema angenommen. In der Auseinandersetzung wurde uns immer wieder klar, wie vielfältig unsere Erfahrungen in der Begleitung der Menschen in der Arche sind. Die Begleitung erfordert viel Aufmerksamkeit, Menschen mit Behinderung nahe zu stehen, Bedürfnisse und Lebensthemen aufzugreifen, um einfühlend, respektvoll und effektiv ein Thema zu vermitteln, das ihnen lange Zeit abgesprochen wurde und teilweise noch immer abgesprochen wird. Das Konzept soll ein „Grundgerüst“ für die sexualpädagogische Begleitung der Menschen in der Arche sein. Es soll ermutigen, sich mit dem Thema Sexualität und Behinderung auseinanderzusetzen. Es soll Orientierung und Sicherheit in unserem Tun geben und sichert das Menschenrecht, dass alle Menschen frei und gleich in Würde und Rechten geboren sind. Menschenwürde bedeutet für uns eine achtsame und wertschätzende Begegnung mit mir selbst und meinem Gegenüber. Meine Privat- und Intimsphäre wird bewahrt und ich erfahre Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und Erniedrigung. Sehnsucht nach Kontakt, nach Intimität, nach Ausdruck von Gefühlen, nach Lust, Zärtlichkeit und Liebe drücken menschliche Grundbedürfnisse aus und dem darf Raum gegeben werden. Für die Begleiter*innen der Arche wurde mit diesem Konzept ein Orientierungsrahmen erarbeitet, der ein strukturiertes und planvolles Vorgehen in der sexualpädagogischen Zusammenarbeit ermöglicht.

Wir hoffen, dass dieses Leitbild ein Beitrag dazu ist, Sexualität für Menschen mit Behinderung als natürlich, lebensbereichernd und letztlich auch als glücklich erfahrbar werden zu lassen.

 

 „Das gehört mir!“

Körperlichkeit und Intimität

In der Begleitung von Menschen mit und ohne Behinderung fördern wir das Anerkennen des eigenen Körpers und unterstützen die Identifikation als Frau oder Mann beziehungsweise in der individuellen Geschlechtsidentität. Ein achtsamer Umgang zum eigenen Körper und das Vertrauen, dass der eigene Körper nur einem selbst gehört, soll vermittelt werden.

Pflege

Menschen, die angewiesen sind auf Pflege im Intimbereich, fällt es schwer, ein Schamgefühl zu entwickeln. Es liegt in der Verantwortung der Begleiter*innen, das Bewusstsein von Grenzen und Schamgefühl zu wahren. Um Intimität und Schamgefühl respektvoll zu begegnen, bieten sich vertraute Räume, beispielsweise das eigene Schlafzimmer oder das Bad an. In diesen Räumlichkeiten herrscht Privatsphäre und niemand darf stören. Vor dem Betreten des Zimmers muss angeklopft werden. Bei der Pflege frage ich um Erlaubnis, ob ich den Menschen berühren darf, und mache ihn auf meine Handlungen aufmerksam. Damit versichere ich einen respektvollen und behutsamen Umgang zu dem behinderten Menschen und seiner Körperlichkeit. Schamgefühl setzt das Bewusstsein voraus, dass die Geschlechtsorgane zum eigenen Körper gehören. Scham wird behütet und respektiert. Ist die Ressource vorhanden, muss der Wunsch der Bewohner*innen respektiert werden, sich aussuchen zu können, von wem sie gepflegt werden möchten. Bemerkungen, die verletzend und demütigend sind, gehören nicht in die Begleitung. Die Begleiter*innen haben die Verantwortung mit Informationen, über die Bewohner*innen behutsam umzugehen. Ein Mithören von Bewohner*innen ist zu vermeiden.

Selbstbestimmung - Fremdbestimmung

Die Alltagssituation fremdbestimmter Abhängigkeit vieler Menschen mit kognitiver Behinderung macht die Unterscheidungsfähigkeit zu „was gehört mir“ und „was gehört dem anderen“ zusätzlich schwer. Diese sind meist gewohnt, das zu tun oder zu lassen, was andere von ihnen fordern. Selbstbestimmung und Wahlfreiheit - oft auch nur bei den kleinsten Dingen wie Essen, Freizeitgestaltung, Kleidung, Freunde, Bettgehzeiten, sind aufgrund institutioneller Strukturen und Abläufen in Einrichtungen schwer gestaltbar. Diese Alltagsbedingungen bieten kognitiv behinderten Menschen kaum die Möglichkeit mit Selbstbestimmung und Selbstvertrauen ein NEIN-Sagen zu erlernen. Oftmals stoßen die Menschen auf Widersprüche gegenüber den Forderungen und Wünsche der begleitenden Personen. Trotz dieser herausfordernden Alltagssituationen bzw. gerade deswegen fördern wir die größtmögliche Selbstbestimmung der Bewohner*innen, ohne sie gleichzeitig zu überfordern. Eine ausgeglichene Balance zwischen „Das kann der Mensch selbst lernen/tun/entscheiden“ und „Da braucht der Mensch eine achtsame Begleitung“ ist uns wichtig. Eine achtsame Begleitung orientiert sich immer am „Du“.

Nähe und Distanz

Wohn- und Lebensqualität

In der Arche leben Menschen unterschiedlicher Geschlechter in Wohngemeinschaften zusammen. In Gemeinschaft leben bedeutet Sicherheit und Vertrautheit, Verständnis und Achtsamkeit in der Begegnung. Gemeinschaft leben hat in der Arche eine große Bedeutung, Freundschaften werden unterstützt und Beziehungen gefördert. Bei Menschen, die sich nicht verbal ausdrücken können, wird auf das Wohlbefinden des Gegenübers geachtet. Nähe, Berührungen und Interaktionen werden möglich gemacht. Ein gemeinsames Leben macht beziehungsfähig und ist eine natürliche Auseinandersetzung mit dem Rollenverständnis.

Begleiter*innen

Ein positives Verhältnis zum eigenen Körper ist Voraussetzung dafür, Sexualität auch bereichernd empfinden zu können. Deshalb ist die Aufklärung über Sexualität und über den Körper ein notwendiger Bestandteil der Sexualpädagogik. Sexualität gehört zu jedem Menschen - sie ist Teil seiner Lebenskraft. Sexualerziehung ist Bestandteil einer ganzheitlichen Beziehungsarbeit. Diese Beziehung trägt zum Aufbau eines positiven Selbstbildes, der Identitätsentwicklung als Mann oder Frau oder einer eigenen individuellen Geschlechtsidentität und der Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung bei. Um die Menschen sexualpädagogisch begleiten zu können, müssen der Bedarf und die Wünsche der zu begleitenden Person hinsichtlich auf das Thema Liebe und Sexualität wahrgenommen werden. Die Begleiter*innen haben eine Vorbildfunktion. Persönliche Werte und eigene Themen müssen selbst gut reflektiert werden. Die Begleiter*innen sind aufgefordert, ihr Verhalten in Bezug auf den eigenen Körper, Beziehungen, Zärtlichkeit, persönlicher Distanz zu reflektieren und bewusst damit umzugehen. Ist der Zugang zum Thema „Sexualität“, so wie in diesem Leitbild beschrieben, aufgrund persönlicher Wert- und Moralvorstellungen (z.B. religiöse Werte) schwierig, muss mit der Ansprechperson gesprochen werden, damit weitere Vorgehensweisen besprochen werden können. Werden Grenzen von Seiten der Bewohner*innen überschritten, müssen Begleiter*innen Hilfe und Beratung einholen. Die Gemeinschaftsleitung und die Hausleitung werden die notwendigen Entscheidungen treffen, damit die Integrität und Selbstachtung aller beteiligten Personen geschützt wird.

Die Ansprechperson wird von den Begleiter*innen der Arche für jeweils zwei Jahre gewählt.

Partnerschaft - Begleiter*innen

Von Begleiter*innen, die in einer Partnerschaft leben und in der Arche arbeiten, wird erwartet, dass sie einen reflektierten Umgang miteinander haben. Partnerschaft zwischen Begleiter*innen darf gezeigt werden, es müssen Gefühle und Grenzen der Bewohner*innen berücksichtigt werden.

Sexualpädagogische Begleitung

Aufklärung

Aufklärung muss unter der Berücksichtigung der individuellen, psychosexuellen Entwicklung gestaltet werden. Die Arche stellt Literatur und Materialien zur Verfügung, welche eine methodisch anschauliche, spürbare und begreifbare Gestaltung der Aufklärungsarbeit ermöglichen. Gespräche über Sexualität sollen unbedingt in den eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten (Zimmer der Bewohner*innen) stattfinden. Damit kann ein sicherer Rahmen geschaffen werden und die Menschen mit Behinderung (damit eine einheitliche Begrifflichkeit verwendet wird) haben das Gefühl, dass sie ernst genommen werden. Informationen über den Körper und Sexualität sollen einen Ort haben, in dem darüber gesprochen werden darf. Ist eine grundlegende Aufklärung notwendig, sollte eine externe Beratung in Betracht gezogen werden. Die gewählte Ansprechperson der jeweiligen Wohnhäuser hat die Aufgabe, Fragen über Sexualität zu beantworten. Mag. Michael Peintner wird die Ansprechpersonen zum Thema „Aufklärung“ fortbilden.

Prävention

Prävention basiert auf der Bewusstseinsbildung, wie „Dein Körper gehört dir!“ und es gibt „schöne“ und „unangenehme Berührungen“. Ein „Vertrauen auf das eigene Gefühl“ und ein „Nein sagen dürfen“, stärken das Selbstbewusstsein. Diese Rahmenbedingungen begünstigen, dass Menschen Hilfe suchen, wenn sie sie brauchen. Präventionsarbeit mit Menschen mit Behinderung bedeutet auch, dass Ausgrenzung und Isolation beendet wird und Eigenständigkeit gefördert wird. Es wurde ein Verhaltenscodex (siehe Anlage) erarbeitet, den alle Begleiter*innen unterzeichnen. Um eine gemeinsame Linie im Umgang mit Sexualität von Menschen mit Behinderung zu schaffen, wird einmal jährlich ein Workshop zu diesem Thema veranstaltet. In der Arche wird eine Ansprechperson gewählt, die beratend und im Interventionsfall zur Seite steht. Sie setzt sich regelmäßig mit dem Thema Sexualität auseinander und besucht eigene Fortbildungen. Außerdem wird dieses Konzept alle 3 Jahre evaluiert.

Sexuelles ER-Leben

Masturbation

Die Selbstbefriedigung ist eine Möglichkeit, den eigenen Körper kennenzulernen und sich selbst Lust zu verschaffen. Selbstbefriedigung ist eine Form gelebter Sexualität. Sie fördert die Körperidentität und lässt den eigenen Körper be-GREIFEN. Masturbation kann auch eine Möglichkeit des Abreagierens bei oft unlustbetonten Anlässen, wie Ärger, Angst, nach Strafen und/oder Unbehagen sein. Menschen mit motorischen Einschränkungen bleibt Masturbation mit den Händen meistens verwehrt, was bedeuten kann, dass sie auch später nicht die Hände zur Selbstbefriedigung verwenden können. Die Begleiter*innen müssen darauf achten, dass sich der begleitete Mensch nicht verletzt. Sie dürfen Gleitmittel zur Verfügung stellen, sie dürfen Möglichkeiten schaffen, den eigenen Körper zu berühren (Einlagen öffnen, notwendige Lagerung, ...), sie dürfen eine angenehme Stimmung (Licht, Duft, Musik, ...) schaffen und müssen/sollen dabei auf Intim- und Privatsphäre achten. Ein Mitwirken bei der Masturbation fällt in den Bereich der aktiven Sexualassistenz und diese Verantwortung muss abgegeben werden. Selbstbefriedigung soll im eigens dafür vorgesehenen Raum (eigenes Zimmer, Bad, ...) stattfinden, damit sich niemand sonst grenzverletzt fühlt und es zu keinem unangemessenen Verhalten in der Öffentlichkeit oder in Gemeinschaftsräumen kommt.

Paare und Beziehungen

Menschen begreifen sich selbst in der Beziehung zueinander. Beziehung bedeutet Verantwortung füreinander übernehmen, füreinander da sein, sich geborgen und sicher fühlen zu können, sich lieben und geliebt zu werden. Die Arche unterstützt die Entstehung von Partnerschaften. Die Menschen werden in ihrer Verantwortung „Partnerschaft leben“ unterstützt. Bedürfnisse und Gefühle werden ernst genommen und zur Gestaltung des Alltags für ein gemeinsames Leben wird beigetragen (z. B. gemeinsames Zimmer). Konflikte, Unsicherheiten werden kompetent begleitet und bei Fragen zur Sexualität wird beratend zur Seite gestanden. Unglücklich Verliebtsein, Zurückweisung und Enttäuschung sind Erfahrungen und gehören zum Leben. Selbstverständlich werden die Menschen in diesen Situationen aufgefangen und ernst genommen. Paare mit unterschiedlichem Entwicklungsstand erfordern eine achtsame Begleitung, um niemanden in den eigenen Möglichkeiten zu überfordern. Gemeinsam werden Wege gefunden, damit sich eine erfüllte, liebevolle, respektvolle Partnerschaft entwickeln kann.

Kinderwunsch

Ein gutes Zusammenleben bedeutet, dass Bedürfnisse erkannt werden und auf Wünsche eingegangen wird. Besteht bei Bewohner*innen der Arche ein Kinderwunsch oder der Wunsch einer eigenen Familie, wird die Arche mit Vertrauen, Aufmerksamkeit und Verständnis Beratungsgespräche planen. Eine gut reflektierte Auseinandersetzung gibt den Menschen in der Arche die Möglichkeit, sich realistisch mit der Situation auseinandersetzen zu dürfen. Eltern zu werden ist ein Grundbedürfnis und eine Grundsehnsucht von Menschen, ob mit oder ohne Behinderung. Kinderwunsch kann den Wunsch nach „Normalität“ ausdrücken. Kinderwunsch bedeutet eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung, den eigenen Grenzen und Fähigkeiten und der Bedeutung nach den dahinterstehenden Bedürfnissen.

Verhütung

Bei Fragen zur Verhütung oder Kinderwunsch ist Beratung von außen sinnvoll.

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt

In der Arche werden hetero-, bi- und asexuelle sowie gleichgeschlechtliche Lebens- und Liebensweisen und transgender und intergeschlechtliche Identitäten gleichwertig betrachtet. Jeder Mensch hat das Recht, seine eigene sexuelle Orientierung und seine geschlechtliche Identität frei zu leben. Die Arche setzt sich aktiv gegen Diskriminierung ein.

Sexualbegleitung – Sexualassistenz

Sexualbegleiter*innen sind ausgebildete Menschen, deren Angebot für Menschen mit Behinderung von beratenden Gesprächen über Anleitungen zur Selbstbefriedigung bis zu erotischen Massagen reicht. Schleimhautberührungen, etwa in Form von Geschlechtsverkehr oder Zungenküssen gehören nicht zur Begleitung. Die Ausbildung zur Sexualbegleiter*in beinhaltet ein Basiswissen im Umgang mit Menschen mit Behinderung, nonverbalen Kommunikation, professionelle Haltung und Basiswissen zu Hygiene. Die Zusammenarbeit mit Ärzt*innen, begleitende Supervision, Weiterbildungen, Teamsitzungen und das reflektieren der Arbeit umrahmt und unterstützt die Arbeit der Sexualbegleiteter*innen. In Österreich wurde die Ausbildung bis 2017 angeboten. Eine Gesetzesänderung sorgte dafür, dass Sexualbegleitung nun unter das Prostitutionsgesetz fällt. Damit sind alle behördlichen Auflagen des Prostitutionsgesetzes zu erfüllen. Es gibt große Unterschiede zwischen Sexualbegleitung und Prostitution. Eine Registrierung als Sexarbeiter*innen bedeutet für betroffene Menschen nicht nur ein gesellschaftliches Stigma, sondern auch Probleme mit der Versteuerung der Arbeit und der Sozialversicherung. Viele der Sexualbegleiter*innen beendeten ihre Arbeit und obwohl der Bedarf groß und die Notwendigkeit gegenwärtig ist, gibt es kaum mehr Angebote. Die Arche steht der Arbeit von Sexualbegleiter*innen offen gegenüber. Sie sieht den Bedarf und unterstützt die Bewohner*innen, wenn sie das Angebot einer Sexualbegleiter*in annehmen wollen. Die Kosten sind von den Bewohner*innen selbst zu tragen.

Sexualität und Gewalt

Sexuelle Gewalt

In der Arche werden Menschen mit Behinderung durch sexuelle Bildung, Aufklärung, Stärkung des Selbstbewusstseins und dem Erlernen der Abgrenzung (Neinsagen!) unterstützt. Dies soll die Bewohner*innen vor sexueller Gewalt und sexuellen Übergriffen schützen. Besteht der Verdacht eines sexuellen Übergriffes und/oder sexueller Gewalt gegenüber einer Bewohner*in, bedeutet das für die Arche professionell zu handeln, die Vorgehensweise gut reflektiert zu planen und externe Fachpersonen einzuschalten.

Grundsätzliche Interventionsschritte

  1. Ruhe bewahren
  2. Eigene Krise überwinden
  3. Interventionsplanung

Eine Krise ist eine Situation, die die normalen Abläufe einer Einrichtung stört. Dazu wurde ein eigener Kriseninterventionsplan erarbeitet (siehe Anlage).

Pornographie

Pornographische Medien werden von der Arche nicht zur Verfügung gestellt. Der Besitz fällt in den autonomen Privatbereich der erwachsenen Bewohner*innen. Die Verwendung darf andere Menschen nicht belästigen und darf ausschließlich in den privaten Räumen (Zimmer) genutzt werden.

Sprache

Verbal und nonverbal

In der Arche leben Menschen, deren Kommunikation oft ohne verbale Sprache ist. Die Begleitung dieser Menschen erfordert viel Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen. In der Beziehungsarbeit ist es möglich, Menschen auch ohne verbale Ausdrucksformen zu verstehen und sie in der sexualpädagogischen Begleitung ernst zu nehmen. Mit den zur Verfügung stehenden Materialen kann Sexualität methodisch veranschaulicht werden.

Gemeinsame Sprache

Eine gemeinsame Sprache trägt zu einem wertschätzenden und respektvollen Sprechen über Sexualität und Gefühlen bei. Diese Sprache kann verbal und/oder nonverbal sein.

Schlusswort

Die Erarbeitung des sexualpädagogischen Konzepts für die Arche Tirol hat ein knappes Jahr gedauert, die Idee und die Auseinandersetzung mit diesem Thema noch viel länger. Lange war uns bewusst, dass sich auch die Arche dieser Thematik nicht verschließen kann. Das Ziel ist es, Sexualität von Menschen anzuerkennen, die sich nicht verbal äußern können, deren Beziehungsfähigkeit aufgrund ihrer Behinderung eingeschränkt ist und deren Körper Berührungen an sich selbst und anderen nur schwer oder gar nicht erfahrbar machen lässt. Wir sehen es als Teil der Begleitung vom Menschen, der Gemeinschaft und der Begegnung. Die Arche öffnet sich der Sexualität als Menschenrecht für alle und schafft einen Rahmen, der die Menschen unterstützt, Gefühle respektvoll, achtsam und schön erlebbar zu machen. Der Prozess der Entstehung dieses sexualpädagogischen Konzepts begann im September 2018. Mit Unterstützung von Mag. Michael Peintner von der Beratungsstelle Courage setzte sich die Gruppe aus der Arche Tirol mit Maria Franekova, Mario Lohse, Katrin Penz und Sebastian Toledo zusammen, um gemeinsam einen „Anfang“ zu schaffen. Bis Ende Juni folgten vier weitere Treffen. Die Zusammenarbeit war bereichernd, lehrreich und vor allem konnte uns Michael immer mehr für das Thema begeistern. Uns war klar, ohne Michaels Begleitung, seiner Kompetenz und seiner Erfahrungen mit Menschen in verschiedensten Lebenslagen, wäre dieses Konzept nicht zu dem geworden, was es ist. Seine bemerkenswert achtsame Sprache und das Filtern von dem, was wirklich inhaltlich notwendig ist, hat uns geholfen, dieses sexualpädagogische Konzept so einzigartig zu gestalten. Einen herzlichen Dank möchten wir Gottfried Lamprecht, unserem Gemeinschaftsleiter, aussprechen, der das Vertrauen in uns hat und alle Ideen unterstützte. Danke unserem Vorstand der Arche Tirol, der uns ermutigt hat und die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte. Danke Sidonie Tomaschitz, die bei einem Gemeinschaftsrat vor einigen Jahren sagte: „Ja, dann macht’s es endlich!“. Genau das hat es gebraucht. Zu großem Dank verpflichtet sind wir Mag. Michael Peintner. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, uns so großartig unterstützt hast und es noch weiterhin tun wirst. Danke Maria, Mario, Sebastian und Katrin für die Ausarbeitung der Themen und das Schreiben. Danke unseren Kolleg*innen der Arche, die dieses Konzept mit uns tragen und die der wichtigste Teil zur Umsetzung sind. Mit eurer Zusammenarbeit ist das Thema „Sexualität und Behinderung“ einen großen Schritt weiter. Wir wünschen euch Mut, Frohsinn und Freude damit.

Katrin Penz

„Ein ganz besonderer Dank gilt dir Katrin. Du warst die treibende Kraft, hast viel Zeit, Energie, Fantasie, Fachkompetenz und Begeisterung in die Erarbeitung dieses Konzeptes investiert. DANKE!!!“

Gottfried Lamprecht

Was man so braucht...

„Man braucht nur eine Insel allein im weiten Meer. Man braucht nur einen Menschen, den aber braucht man sehr.“

Mascha Kalèko

Kriseninterventionsplan

Wann handelt es sich um eine Krise?

Unvorbereitete Reaktionen in Krisensituationen können für von Gewalt, Missbrauch, Mobbing, gravierenden Unfällen oder Todesfällen oder sonstigen Zwischenfällen betroffene Personen eine zusätzliche Belastung, Kränkung und Demütigung sein. Sie können das Image der Arche negativ beeinträchtigen. Eine Krise ist also eine Situation, die das Image und die Integrität der Einrichtung zerstört, die in ihrer Intensität eskaliert, die die normalen Abläufe der Einrichtung stört.

Solche Situationen sind:

  • Psychische, physische, sexuelle Gewalt
  • Schwerwiegendes Mobbing unter Begleiter*innen und Bewohner*innen
  • Gewalt (psychische und physische) und Missbrauch (körperlich, psychisch und sexuell) von Begleiter*innen an Bewohner*innen
  • Negative Informationen und Gerüchte über die Einrichtung und deren Mitarbeiter*innen
  • Gravierende Unfälle und Todesfälle
  • Zwischenfälle mit Gefahr für Gesundheit und Leben (z.B. Infektionen, Drogen, ...)

Unmittelbares Handeln:

  • Kommunikation der Fakten über das Geschehene
  • Identifizierung Betroffener und deren Informationen
  • Gerüchte in den Griff bekommen
  • Ordnung und Vertrauen wieder herstellen

Die einzelnen Schritte:

  • Information an Gemeinschaftsleiter*in und Hausleiter*in
  • Information an die gewählte Ansprechperson in der Arche Tirol
  • Information an den Vorstand der Arche Tirol

Erstellung eines Krisenteams:

Dieses besteht aus

  • Gemeinschaftsleiter*in
  • Hausleiter*in
  • Externe*n Berater*in

Sie treffen sich, um jedes weitere Procedere zu kommunizieren. Jedes Treffen wird protokolliert.

Abschätzung der Lage:

  1. Wer ist involviert?
  2. Was ist geschehen?
  3. Wann ist es geschehen?
  4. Wo ist es passiert?
  5. Ist die Sicherheit von jemandem in Gefahr?
  6. Warum ist es voraussichtlich passiert?

Unmittelbare Trennung von Opfer und Täter*in:

  • Suspendierung/Beurlaubung des*der verdächtigten Mitarbeiter*in. Dies ist für die Transparenz nach außen wichtig, bis die Vorfälle ermittlungstechnisch geklärt sind.
  • Prüfung der Anzeigenpflicht. Meldung direkt an die Staatsanwaltschaft oder Polizei.
  • Meldung an die Ombudsstelle. Dies ist notwendig, sofern es eine gibt. Die Diözese hat beispielsweise eine solche für Missbrauchsfälle eingerichtet, die im kirchlichen Kontext passiert sind.

Kommunikation nach innen:

Informationen des Geschehenen an die übrigen Mitarbeiter*innen der Arche Tirol.

Folgende Inhalte sollen diese Informationen beinhalten:

  • Was ist genau geschehen?
  • Wer ist involviert? (Opfer nicht namentlich nennen)?
  • Was wurde bisher unternommen?
  • Was sind die nächsten Schritte?

Wer informiert?

Die Informationen sollen immer nur von einer Person ausgehen: Gemeinschaftsleiter*in oder Mitglied des Vorstands.

Kommunikation nach außen:

  • Information des Geschehenen an die Eltern der möglichen Opfer. Eltern können Beratungseinrichtung aufsuchen.
  • Information des Geschehenen an Behörden, Sozialamt,...
  • Telefondienst oder andere Kontaktmöglichkeiten für besorgte Eltern oder andere Personen, die Aufklärung verlangen, einrichten.
  • Erstellen eines Pressetextes.

Folgende Inhalte sollen die Informationen beinhalten:

  • Was ist geschehen?
  • Wer ist involviert? (Opfer und Täter*in nicht namentlich nennen)?
  • Was wurde bisher unternommen?
  • Was sind die nächsten Schritte?

Wer informiert?

Die Informationen sollen immer nur von einer Person ausgehen: Gemeinschaftsleiter*in oder Mitglied des Vorstands.

Grundsätze der Kommunikation

Kommunikationsziele:

  • Wir müssen mit größtmöglicher Offenheit auf die Situation reagieren. Wir müssen Informationsmöglichkeiten schaffen; die Bereitschaft uneingeschränkt Auskunft zu erteilen muss gewährleistet werden.
  • Ehrlichkeit hat höchste Priorität
  • Jede Besorgnis Betroffener ist gerechtfertigt. Wir müssen sie berücksichtigen.

Wiedergewinnung des öffentlichen Vertrauens:

  • Anerkennung und Entschuldigung der Tatsache, dass es ein Problem gibt.
  • Erklärung, wie und warum es zum Problem gekommen ist und wie es zukünftiges Handeln beeinflussen wird.
  • Öffentlich Verantwortung übernehmen und spezifische, positive Schritte ankündigen, um das Problem zu lösen.
  • Bedauern, Empathie, Sympathie, Sorge äußern. Verantwortung darüber zeigen, dass es zum Problem kommen konnte.
  • Sofort Möglichkeiten der Wiedergutmachung ausloten.

Unbedingt vermeiden:

  • Abwarten: „Vielleicht merkt es niemand.“
  • Eine Geschichte erfinden: „Die wissen eh nicht Bescheid.“
  • Herunterspielen: „Es handelt sich nur um eine Ausnahme.“
  • Kein Engagement zeigen: „Sie sollen es selbst herausfinden.“
  • Verzögern: „Wir wissen noch nichts.“
  • Irritieren: „Man will uns eines auswischen.“
  • Blockieren: „No comment.“
  • Arroganz: „Wir müssen uns für nichts entschuldigen.“
  • Zurückhaltung: „Das Problem wird von selbst verschwinden.“

Was noch wichtig ist:

  • Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und der Staatsanwaltschaft
  • Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Ämtern
  • Zusammenarbeit mit Beratungseinrichtungen und Opferschutzverbänden.

Verhaltenskodex

  1. Ich verpflichte mich, alles zu tun, dass bei uns in der Arche Tirol keine Grenzverletzungen, kein sexueller Missbrauch und keine sexualisierte Gewalt möglich werden.
  2. Ich will die mir anvertrauten Menschen in der Begleitung vor Schaden und Gefahren, Missbrauch und Gewalt schützen.
  3. Ich nehme die individuellen Grenzempfindungen der begleiteten Menschen wahr und ernst.
  4. Ich beziehe gegen sexistisches, diskriminierendes, rassistisches und gewalttätiges verbales und nonverbales Verhalten aktiv Stellung.
  5. Ich selbst verzichte auf abwertendes Verhalten und achte auch darauf, dass andere Menschen bei Angeboten und Aktivitäten sich so verhalten.
  6. Ich respektiere die Intimsphäre und die persönlichen Grenzen der begleiteten Menschen, sowie der Begleiter*innen.
  7. Ich versuche in meiner Aufgabe als Begleiter*in die sexuelle Dimension von Beziehungen bewusst wahrzunehmen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz zu gestalten.
  8. Als Begleiter*in nutze ich meine Rolle nicht für sexuelle Kontakte zu mir anvertrauten Menschen.
  9. Ich nehme Grenzüberschreitungen wahr. Ich weiß, dass Betroffene und ich kompetente Hilfe bei den beauftragten Vertrauenspersonen bekommen können.

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Ort und Datum:                                             Unterschrift

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